Stefan Thielke

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2012, Chilika
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Ich will mich kurz ausruhen. Mein Ausflug gestern hat mich völlig geschafft. Als ich erwache, ist es zwei Stunden später. Der Ausflug anstrengend, die Bilder von gestern, einfach wunderbar:

Der Lieblingsrikschafahrer von meinem kleinen italienischen Kollegen Siro, Kesheba, kam spät, wenngleich auch noch pünktlich. Nachdem er sich durch den morgendlichen Verkehr von Puri gewühlt hatte, die Hauptstraße und bedrohlich enge Gassen, die neben dem Tuctuc kaum mehr Breite für einen Radfahrer boten, hinter uns lagen, wurde es ruhiger. Natürlich mussten wir vorher noch zwei oder drei Mal anhalten, dies und das fragen, dies und das holen. Und er zog natürlich das verstaubte, bedrohlich nach Schweiß riechende, völlig verstaubte, graublaue, offizielle Fahrerhemd über sein T-Shirt – „official driveruniform from Government“ hatte er grinsend erklärt. Gegen den Staub hier kann man kaum etwas tun. Der scheint in Indien allgegenwärtig. Ein leichter Schutz wird duch das Einpacken in Plastiktüten erreicht, doch selbst verschließbare Beutel weisen nach einiger Zeit Staub im luftdichten Innenraum auf. Das verstehe wer will.

Während ich das schreibe, schleppt eine winzige Ameise in unglaublicher Geschwindigkeit einen Käfer die Wand empor, der vom Volumen her fünf ihrer Artgenossinnen fassen könnte. Die grüne Blattwanze am nächsten Tag schaffen sie nur im Teamwork, zusammen mit 20 oder 30 dieser Miniaturkraftprotze.

Doch zurück zum Ausflug: Nun also auf zum Chilika-Lake, das sind über 60 Kilometer . So weite Strecken habe ich bisher noch nicht im Tuctuc zurückgelegt. Doch die Bank ist weich gepolstert, Hosenboden und Rücken kleben vom Schweiß am glänzenden, blauen, neuen Kunstoffüberzug. Der Wind ist so stark, dass ich mir eine Jacke überziehe, nicht wegen der Kühle, eher wegen der Angst, mich im Luftzug zu erkälten. Motorrikscha fahren ist fantastisch. Es gibt keine Scheiben zwischen mir und der Welt dort draußen. Alles frei und immer ein frischer Luftzug. Doch länger darin zu sitzen, mit den Ausmaßen meiner Beine, ist alles andere als entspannend, zumal ich bei diesem wundervollen Morgenlicht einfach auch fotografieren muss.

Auf staubigen Straßen geht es ins Grün der Reisfelder, der Palmenhaine und Wäldchen, durch kleine verstaubte Dörfer voller reisstrohgedeckter Lehm- und Backsteinhäuser. Die Menschen sind teils geschäftig mit Waschen und Duschen unter Pumpen und in Teichen beschäftigt. Bunte Frauengruppen hocken patschnass auf den Stufen der kleinen Ghats künstlich angelegter Seen, Männen, nackt bis auf den Lunghi stehen tropfend neben Pumpen am Straßenrand. Nackte Kinder bespritzen sich mit Wasser, während das Tuctuc scharf vor den künstlichen Bodenwellen aus Asphalt bremst, die vor und in Dörfern sehr effektiv zur Geschwindigkeitsbegrenzung beitragen. Weniger geschäftige Zeitgenossen liegen noch oder schon wieder im Tiefschlaf auf hartem Lehmboden, Asphalt oder Beton. Schlafen klappt überall in Indien.

Außerhalb der Dörfer überziehen hellviolette Seerosenarten leuchtend morastige Flächen von Feldgröße. Die tiefroten sind nur vereinzelt zu finden. Das Tuctuc fährt mit über 50 Stundenkilometern durch schattige Alleen. Vögel zwitschern, Kühe muhen. Zuweilen überholt uns ein Lastwagen, ein Motorrad oder ein PKW. Die Motorräder sind selten von weniger als drei Erwachsenen besetzt. Zusätzlich thront vorn noch häufig ein Kind auf dem Tank. In Dorfnähe stehen zähneputzende, nasse Männer am Straßenrand, blicken uns hinterher oder lassen sich gar nicht stören, als sie die Weißen entdecken. Über die Felder gehen vereinzelt Frauen und Kinder. Männer transportieren auf Fahrrädern Reisstroh, Brennholz, Gasflaschen oder geschickt verschnürte Berge von Kochtöpfen aus Aluminium und Schüsseln, Wannen sowie weiterem Haushaltszeug aus Plastik. Unglaublich, dass sie das Gewünschte da rasch herauswühlen können, ohnedass der ganze Berg zusammenbricht und herunterfällt. Doch scheinen sie genau zu wissen, wo auch das kleinste Utensil in diesem für mich unüberschaubaren Bündel seinen Platz gefunden hat.

Hunde und Kühe trotten gemächlich über die Straße, lassen sich auch vom Hupen nur langsam verscheuchen. Auf den Feldern wird bisher kaum gearbeitet, doch in den einfachen Ziegeleien schleppen und schwitzen sie unter den Handtüchern, die als Hitzeschutz um den Kopf gebunden sind. Als wir näher zur größten Brackwasserlagune Asiens, zum Chilika Lake kommen, beobachte ich, wie schlammbespritze Arbeiter in knappen Lunghis die weiten Ausläufer des Sees vom Schlamm freigeschaufeln. Das gehört zum Renaturierungs- und Rettungsprogramm von Chilika, dem See, der fast verlandet war vor einem Jahrzehnt und längst umgekippt wäre.

Kinder laufen in hell- und dunkelblauen Schuluniformen kilometerweit auf der Straße bis zur nächsten Schule. Die Mädchen tragen dazu weiße Tücher um die Schulter. Frisch geduscht und gekämmt all diese kleinen Persönlichkeiten, auf deren Schultern die Zukunft Indiens ruht. Viele von ihnen albern herum, lachen, winken uns zu. Zwei Männer schleppen einen schweren, braunen Naturstein an einer Bambusstange auf den Schultern. Gehen die Straße entlang, nur mit dem Lendentuch bekleidet, noch ohne Schweiß. Diese Brocken sind so schwer, dass ich einen allein nicht anheben kann.

Das Land wird feuchter. Überall grüne Felder, zunehmend kleine Seen, Morast. Wir haben längst die näheren Ausläufer des Sees erreicht. Büffel stehen im Grün, im Wasser oder auf Dämmen. Kleine, grüne Inseln tragen einsame Hütten aus geflochtenen Matten mit Reisstrohdach, windschief wie die Bäume davor. Ein Mann mit pinkmetallic leuchtendem Turban und einer ebensolchen Hose, die fluoreszierend in der Sonne leuchtet, schiebt ein Moped. Ein brauner Mann in Lunghi mit Turban sitzt auf einem Karren zwischen einem Paar mannshoher Holzräder. Zwei gemächlich dahintrottende, helle Ochsen ziehen das traditionelle, einachsige Gespann. Das Stöckchen in seiner Hand braucht er nicht zu nutzen. Die Ochsen trotten wie von selbst voran.

Unser Fahrer bremst, als uns eine Büffelherde entgegen kommt. Eine Motorrikascha steckt trötend und hupend mitten zwischen den Tieren, die gemächlich weitertraben. Ein roter Lastwagen ist mit einem Dutzend dicker Bambusstangen bepackt, auf denen etwa 20 leicht bekleidete Männer stehen, deren bunte, um den Kopf gebundene Handtücher im Sonnenlicht leuchten. Sicherlich geht es zu einer der unzähligen Baustellen.

Da steht einer am Straßenrand und winkt. „Nein, nein, stop!“ Keshebah, unser Fahrer, biegt in eine kleine Straße ein. „Nein, das ist nicht der richtige Weg nach Satapada.“ Sie wollen uns ködern, irgendeinen sonderbaren Ausflug verkaufen. „Ja, ja, very nice.“ Doch unser Rikschafahrer wendet schließlich, als ich mich weigere, hier auszusteigen. Überall sind sie auf Jagd. Wir wandelnden Portemonnaies mit Visakartenzeichen auf der Stirn sind das tägliche Reisschüsselchen für Massen und das zuckertriefende Gebäck für die reichen Tourismusunternehmer. Auf dem Damm, der oben einem schmalen Feldweg gleicht, kommt uns ein Kokosnussverkäufer entgegen. Die schweren, vollen Früchte hängen am Fahrrad. Sein Sohn trabt lustlos hinterher.

Bevor wir Satapada erreichen, sehe ich einen Mann, der an einer Stange zwei mindestens 15 Liter fassende Blechkanister mit Öl schleppt. Die Stange hat sich tief in seine knorrige Schulter gegraben. Zuweilen geben seine Knie ein wenig nach, doch er geht weiter. Dann endlich sind wir in Yatri Nivas, dem regierungseigenen Guesthouse, wo man Karten für die Bootsfahrt kaufen kann, angeblich. Wir müssten noch auf den Bus warten, erklärt uns der Mann hinter dem Schreibtisch, könnten jedoch im Restaurant frühstücken gehen. Na gut.

In diesem Speisesaal zu frühstücken, erinnert mich an Mahlzeiten in einer Mischung aus Jugendherberge und Altenheim. Dazu sei anzumerken, dass ich alte Menschen wie auch junge Leute sehr gern mag, Jugendherbergen und Altenheime dagegen gar nicht. Die hier frühstücken, sind jedoch vorzeitig gealterte, indische Kulturtouristen, die schnatternd um einen Tisch herum sitzen. Nur das fette Kind mit süßen Marmeladentoasts vor sich, fällt etwas aus dem Rahmen. Natürlich will der Klops mehr und bekommt auch noch eine Portion. Na dann viel Spaß und eine gesunde Zukunft, Fettelchen!

Ich warte. Das Toast sei ausgegangen. „Ein Glück,“ denke ich. Und irgendwann landet eine Plastikplatte scheppernd vor mir. Doch das Omelett ist gut. Dass sie kein Toast mehr haben, stört mich wenig. Ich mag sowieso viel lieber das frisch gebackene Roti. Siro sind sie zu lahm, zu faul, zu begriffstutzig, die „Serviceleute von der Regierung“. Da hat er recht. „Regierung“ hat ja immer einen faden Beigeschmack, außer vielleicht in Bhutan. Um das Haus herum sieht es aus wie auf einem Müllplatz und das im Naturschutzgebiet, wo auf den letzten 20 Kilometern keine Plastikflasche am Rand lag und kein Polybag in den Ästen knisterte. Ich sehe das gelassener und genieße mein zweites Frühstück, wenngleich der Koch in hohem Bogen von der Terrasse pißt und ohne Händewaschen weiter seine Arbeit verrichtet. Tja, das ist auch wieder so eine Gemeinsamkeit in unserer Welt, die Regierungsangestellten, die an Langsamkeit und Begriffstutzigkeit kaum zu übertreffen sind. Und wenn ich jetzt schreibe, dass es Ausnahmen gibt, wird jeder von ihnen erklären, er gehöre zu den Ausnahmen. Doch auch das zaubert mir lediglich ein Grinsen ins Gesicht.

Schließlich kommt eine Busladung voller bunter Touristen, die Vorstufe von Altenheim, also mindestens zehn, zwanzig Jahre jünger als ich. Warum dann Altenheim? Na ja, weil sie immer das Gleiche erzählen und wohl immer die gleichen Themen haben, für mich allesamt langweilig, wenn auch halbwegs gesittet. Dabei kommt auch bei diesen Alten, wenn ich genauer nachfrage, etwas aus dem Rahmen falle in der Konversation, so manche interessante Lebensgeschichte ans Licht. Und ich als unerfahrener Tourist darf das mit den naiven Fragen schon. Ich weiß auch nicht, wie ich mich ihnen gegenüber verhalten soll, denn ich habe mit dem gebildeten Mittelstand in Indien ja auch wirklich kaum Erfahrung. Sie haben eines gemeinsam mit denen bei uns in Europa. Es ist sehr entspannend bei ihnen, denn sie sind unglaublich langweilig, teilweise sogar einfältig. Die meisten interessiert mein Leben nur wenig. Ich döse bei solchen Gelegenheiten regelmäßig vor mich hin, während sie von Kinder, Schule, Beruf, Altersversorgung, ... erzählen.

Der See ist wirklich einzigartig. Unser Einstieg ins Boot typisch Indisch gehoben, also die unförmigen, eingerosteten, bequemen Ladies first. Sie ächzen und wischen sich nach vollendeter Strapaze den Schweiß aus dem Gesicht. Dann beginnt der Führer, Geld einzusammeln. Ich befürchte, dass viele der Fischer, von denen hier überall die Rede ist, mehrere Tausend sollen es sein, heute einen Großteil der Touristen kutschieren, so viele Boote treffen wir unterwegs. Am Liebsten natürlich Europäer, denn die zahlen bereitwillig mehr und am besten Frauen, denn im Gegensatz zu Inderinnen sind die häufig für exotische Abenteuer erotischer Natur zu haben. Da spart Mann den Preis fürs Bordell und hat häufig auch öfter etwas davon plus Einladungen, Geschenke und etwas zugestecktes Geld. Da macht es denn auch nichts, wenn die Weiber zehn, fünfzehn Jahre älter sind. Die jungen, strebsamen, gläubigen Krishnatanten, die „natürlich nur nach den Geboten leben“, hatte ich ja schon erwähnt. Doch war Krishna nicht auch ein schmunzelnder Verführer, der holden Weiblichkeit ungemein zugetan? Nur was hätte er zu den abenteuerlustigen Europäerinnen im zweiten Frühling gesagt?

Egal, ich wäre gern im Januar am Chilika Lake, wenn die Vögel aus Nordostasien hier überwintern. Doch ein paar Delfine sehen wir. In diesem Moment werden auch die älteren, gesetzten Inder wieder zu Kindern, herrlich. Da wird kommentiert, mit Kameras und Ferngläsern herumgefuchtelt, aufgestanden, gedrängelt, palavert. Ich bleibe ruhig sitzen. Der „Gondoliere“ startet den Motor. Wir fahren weiter. Bis auf die Bank, die Rückenlehne und die Enge ist das eine sehr erholsame Gondelei. Der Führer liegt nach der Kassiererei und einigen erklärenden Sätzen auf dem Heck und schnarcht. Keshebah ist sichtlich glücklich. Er war noch nie in dieser Gegend, hat er mir erklärt und wäre ohne uns niemals auf so ein Schiff gegangen bzw. gekommen. Er hockt auf dem Bug, beobachtet die vorbeiziehende Landschaft und strahlt. Ich bin froh, dass ich ihn gefragt habe, ob er mit wolle. Ich beobachte wie er, nur dass ich im Schatten sitzen muss, damit mir nicht das Hirn anschmort.

Nach eineinhalb Stunden können wir die Öffnung sehen, den „Mund“, wo zur Flut Wasser in die Lagune strömt. Es ist der zweite Zugang zum Meer, der künstlich geschaffen wurde, damit ein Wasseraustausch stattfindet. 2008, beim Tsunami, wurde die schmale Landzunge überspült und reichlich beschädigt. Dort, wo heute wieder die kleinen Strandbuden-/restaurants stehen, war nichts mehr. Zuschaden sei aber keiner gekommen, erfahre ich aus verlässlicher Quelle.

Wir legen an, Pause! Ich gehe über den glühendheißen Sand auf die Meeresseite, etwa drei bis vierhundert Meter. Das ist den meisten Mitreisenden zu anstrengend. Doch das Meer sieht hier auch nicht anders aus als an meinem reichlich verlassenen Badestrand, der diesem hier ähnelt, wenngleich dahinter keine Dünen und kein Grün aufragen. Wie eine leergefegte Wüste zwischen den Meeren. Die Rückkehr und der Snack im Restaurant bilden schon wegen der Belegschaft ein weiteres, persönliches Ausflugshighlight. Sie haben mich schon herangewunken, als ich noch im Boot saß und gieren nun nach Siros Ganja, da der Nachschub hier draußen momentan nicht klappt. Er gibt freizügig ab, doch sie wollen mehr. Na ja, irgendwann ist halt Schluss. Und solche wie wir sitzen sonst sicherlich nur selten im Boot des Orissa Tourist Departement.

Die anderen Touristen stört der Konsum wenig. Kiffen ist üblich in Odisha und legal. Sichtlich enttäuscht ist der schmierige Typ am Brutzeltopf, als ich keine Garnelen will. Das ist mir hier aber ein wenig zu gefährlich. Wer weiß, wann die gefangen wurden und wie sie gelagert waren. Auch hier unter dem Dach ist es knalleheiß wie in der Wüste, wenn kein Lüftchen weht. Also besser ein vegetarischer Snack.

Für den Einstieg am Strand muss ein Plastikstuhl als Treppe herhalten. Während ich fast aufs Boot springe, ist schon das Erklettern für die anwesende Damenwelt und auch einige der Herren zuviel. Ich habe mich schon bei unserem gemeinsamen Start gewundert, dass der Bus nicht direkt bis zur Anlegestelle gefahren ist. Vielleicht hat die indische Regierung dergleichen verfügt, um körperliche Ertüchtigung zum Ausgleich für das vermehrte süße oder auch sehr gehaltvolle Essen der aufstrebenden Hunderttausenden zu erzwingen? Und sicher erzählen viele hinterher, dass das doch ein weiter Weg gewesen sei, vom Bus zur Anlegestelle, „a real good exercise“, immerhin mehr als fünf Minuten zu Fuß. Auf der Rückfahrt genieße ich jedenfalls den Blick übers Wasser, Siro die Kommunikation mit der gesamten indischen „Altengruppe“ im Vorderschiff, wobei eine sympathische, rundliche Dame ihn mit reichlich skeptischen Blicken festhält, während er Vorträge über die Hare Krishnas in Europa und in Indien hält. Ich genieße derweil den Platz im Heck zwischen Vater und Sohn und den wunderbaren Ausblick. Den Abschluss unseres Ausflugs bildet eine Filmvorführung im Museeum, die der Selbstbeweiräucherung indischer Aktivitäten und Aktivisten zum Naturschutz dient. Danach erst kommt die Natur selbst zur Sprache. Die Inder lauschen und schauen gebannt zur Leinwand wie zum Allerheiligsten ihrer Tempel. Selbst das ständig quitschende Kind wird zur Ruhe gebracht.

Ich empfehle jedem interessierten Ornithologen und Naturfreund, sich mit der Einzigartigkeit des Chilika-Lake, seiner Flora und Fauna auseinanderzusetzen und auch Ethnologen werden bei den vielen Stämmen, die am und vom See leben, auf ihre Kosten kommen. Doch ich will hier keine Vorträge halten. Das bekommt man in Deutschland leider massenhaft und ungewollt im Fernsehen serviert. Nur eine Kleinigkeit. Eines meiner Lieblingstiere, der indische Otter (der genau wie bei uns aussieht), ist hier noch heimisch. In vergangenen Jahrhunderten richteten die Fischer Otter ab, ihnen Fische in die Netze zu treiben. Diese Tradition gibt es leider nicht mehr. Jetzt sind Fischer und Otter Feinde gleich Mensch und Natur vielerorts.

Auf der Rückfahrt genieße ich das erwachte Straßenleben in den oben beschriebenen Dörfern, die Bilder, die Natur, die badenden Büffel in der ausklingenden Mittagshitze, deren Anblick mir immer wieder das Herz wärmt. Unterwegs halten wir. Ich beobachte Störche, kleinere Reiherarten und anderes Federvieh. Hier könnte ich stundenlang bleiben, doch die Sonne schmort bei diesem Wind unmerklich. Da muss ich schon aufpassen. Ohne das feste Dach über dem Boot hätte ich einen Sonnenstich. So bin ich lediglich müde und glücklich.

Wir sind erst am späten Nachmittag zurück, haben die letzten 15 Kilometer junge Studenten mitgenommen und am Bahnhof abgesetzt. Unser Rikschafahrer macht schon kleine Geschäfte nebenbei, doch so lange wir genug Platz haben, ist mir das egal. Er nimmt ihnen auch nur einen obligatorischen Betrag von 1 Rs pro Kilometer und Person ab.

Eine wunderbare Fahrt war das, ein schöner Ausflug, wenngleich meine Knochen den folgenden Tag zum Ausruhen brauchten, ich viel geschlafen habe und jetzt noch etwas am Strand spazieren werde. Sechs, sieben Stunden auf kleinen Bänken ist für einen alten Sack wie mich eben nichts mehr, was ich jeden Tag tun könnte. Doch wenn ich wieder nach Puri kommen kann, vielleicht Anfang Januar, werde ich länger an diesem See bleiben und die Vögel genießen, die Ruhe. Da macht mir dann auch der Regierungsservice nichts aus, den ich von ähnlichen Häusern in Palitana und anderenorts kenne. Die Delfine sind für die Inder da, die Kinder. Wenn sie in Sicht kommen, ist es mit der Ruhe vorbei, die Blitzlichter flackern und das Boot schwankt...

Stefan Thielke