THRILL KILL CULT

Kapitel "film"



Autor:
Eckhard Hammel

Was ist ein Splatter Movie?

Splatter Movies: 1973 erschien Paul Morrisseys 3-D-Film Andy Warhol’s Frankenstein, der seinem Publikum in so überdrehter Weise abgetrennte Gliedmaßen, Eingeweide und Fickszenen vor Augen führte, daß das eigentlich Schockierende wie zwangsläufig auf die Distanz des Komischen gebracht wurde. Auf Terror folgte nicht Horror, sondern Grinsen. 1978/79 machte George A. Romero mit der Herstellung von Dawn of the Dead erneut von sich reden; er versah sein Machwerk von ‘68 mit einer Prise Comic-Infantilismus und nannte es Splatter Movie. John McCarty sieht in Dawn of the Dead übrigens eine sozialkritische Intention am Werk. Tatsächlich strömen die Zombies in Bereiche der städtischen Fußgängerzone, weil sie dort zu Lebzeiten am liebsten gewesen sind. (in: Splatter Movies, 1984, p.1).
Jedenfalls dürfte dies erste explizite, auf jeden Fall aber entscheidende Erwähnung des Begriffs Splatter Movie sein. Das Wort splatter ist verwandt mit splash und bedeutet in Comics zermatschen, zerplatzen. Im Comic und in den Animations wurde immer schon kräftig „gesplasht" und „gesplattert", und die Grenzen zwischen Lebendem und Totem wurden überschritten. Daß auch im Film damit rüde Formen des Ablebens bezeichnet werden, versteht sich; schließlich sind die Splatter Movies, auch wenn sie nicht alle Horrorfilme sind, aus diesen hervorgegangen. McCarty beginnt sein Buch mit dem einleitenden Satz: "Splatter movies, offshoots of the horror film genre, aim not to scare their audiences, necessarily, nor to drive them to the edges of their seats in suspense, but to mortify them with scenes of explicit gore. In splatter movies, mutilitation is indeed the message" (p. 1).
1983 kam The Evil Dead von Samuel M. Raimi heraus, das "ultimate experience in grueling horror", das nach zehn Jahren Verbot in der BRD um 43 Sekunden zensiert freigegeben wurde. Infolge der unbefugten Öffnung des Necronomicon ex mates und eines fahrlässig abgespielten Tonbands zeigt selbst die Liebste ihre scheußlichsten Seiten; Spiegel sind plötzlich flüssig, Glühbirmen und Filmprojektoren beginnen zu bluten, Uhren laufen rückwärts und die Kameraführung läßt erahnen, daß es auch mit den gewohnten Raumverhältnissen nicht mehr so ganz stimmt. Doch wenn du Mutanten die Augen ausdrückst und den Stöpsel rausziehst, dann fließt zwar viel Blut, und sie beißen dir womöglich immer noch in die Waden, aber sie lösen sich schließlich doch in wimmelnde Substanzen auf - wenn da nicht noch ein Blick wäre, der selbst den wackersten Streiter umhaut... Die Fortsetzung Evil Dead II zeigt den Helden weiterhin auf der Flucht vor der Kamera, einer Flucht, die Jesu Kreuzgang kaum nachsteht. Und die Moral von der Geschichte: Immer wenn man denkt, man hätte es geschafft, dann...

Frei nach H. P. Lovecraft erschien 1985 Stuart Gordons The Re-Animator. Der Wissenschaftler Herbert West verursacht nach Frankensteinmanier die Entstehung reanimierter Monster. Einem kopflosen Exemplar platzt, gestärkt durch eine Überdosis Lebenselexier, die Bauchdecke, und heraus windet sich ein aggressiver Darm, der sich einer Würgeschlange gleich über den Reanimator hermacht. 1994 entstand in Österreich eine rekonstruierte Version der deutschen Synchronisation, bei der die herauszensierten Originalszenen im O-Ton in die deutschsprachige Version hineinmontiert wurden.
Die in Re-Animator und auch in Roy Frumkes’ Street Trash(1987) weiterentwickelte Liaison zwischen Film und Comic - Street Trash spielt im Pennermilieu und handelt von einem Gebräu, das die Trinker zu blubbernden Schleimklumpen zersetzt - wurde besonders deutlich mit Peter Jacksons Braindead (1992). Jackson hat das Komödiantische perfektioniert und so den „Splat Stick" kreiert. Die deutsche Fassung mit dem Titel "Braindead. Der Zombie-Rasenmähermann" wurde um 10 Minuten zensiert. Der schüchterne Lionel kümmert sich rührend um seine immer keifende und infolge einer Bißinfektion zum monströsen Subjekt mutierende Mutter, die fortlaufend Leute beißt, die sodann ebenfalls die Metamorphose durchmachen. Auf einer Party des Helden "integrieren" die vampyrösen Monster die Feiernden in ihre Gruppe. Der Held bleibt nebst Freundin übrig und zermatscht nun seinerseits mit Hilfe eines vor den Bauch gebundenen Rasenmähers die anwesenden Monster-Gäste. Schließlich bläst sich Mamma in einer finalen Metamorphose zum haushohen Monstrum auf, das sich die Bauchdecke aufreißt und das Söhnchen verschlingt. Dieses befreit sich im Kaiserschnitt-Verfahren und zuguterletzt liegen sich Held und Freundin blutverschmiert und happy in den Armen.
Alex de la Iglesias Accion Mutante präsentiert 1993 eine weitere zwar populär gewordene aber ein wenig albern geratene Splatterkomödie. Eine Terroristengruppe aus Behinderten zermatscht die Kultur der schönen Körper und der Sauberkeit und schließlich sich selbst.

 

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