THRILL KILL CULT

seRiaL kiLLer liVe



Autor:
Thomas Gebauer

Fritz Haarmann im Film

Haarmann

Warte, warte nur ein Weilchen,
bald kommt Haarmann auch zu dir.
Mit dem kleinen Hackebeilchen
macht er Leberwurst aus dir!

Wer war dieser Haarmann mit dem Hackebeilchen, den der Volksmund in der Weimarer Republik mit Galgenhumor besang? Gemeint war der Kaufmann Friedrich "Fritz" Heinrich Karl Haarmann, der zwischen 1918 und 1924 in Hannover sein Unwesen trieb. In diesem Zeitraum hatte er 24 junge Männer und Jugendliche getötet, indem er ihnen beim Sex die Halsschlagader zerbiß. Seine Opfer waren vornehmlich Strichjungen.

Die Angewohnheit die Leichen der Getöteten mit seinem "Hackebeilchen" fein säuberlich zu zerlegen brachte Fritz Haarmann in den Verdacht des Kannibalismus, den er jedoch zeitlebens bestritt. Viel mehr ging es ihm darum, das Fleisch der Leichen in Einzelteilen durch die Toilette spülen zu können. Trotzdem: sein gleichzeitig äußerst florierender Handel mit Wurst, Fleisch und Schinken kamen sowohl der Kriminalpolizei als auch der Bevölkerung befremdlich vor und gaben Anlaß zu den grausigsten Vermutungen. Die Knochenreste der Opfer wurden später Stück für Stück aus der durch Hannover fließenden Leine gefischt.

Am 15. 04. 1925 wurde Fritz Haarmann im Alter von 45 Jahren wegen 24-fachen Mordes zum Tode verurteilt und durch das Fallbeil hingerichtet.

"Die Zärtlichkeit der Wölfe" - Verfilmung Nr. 1

Daß ein so unheimlicher und gruseliger Fall von Serienmord bester Stoff für die Filmbranche sein mußte, ist nur zu klar. 1973 versuchte sich der Regisseur Uli Lommel, protektoriert durch Rainer Werner Fassbinder, mit Kurt Raab als Hauptdarsteller und Drehbuchautor an der Geschichte des "Werwolfs von Hannover". Er verlegte die Verbrechen Haarmanns von Hannover nach Bochum, und von den frühen 20er Jahren in das Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.

Die Handlung: Der kleine Kriminelle Fritz Haarmann wird von der Kriminalpolizei gezwungen, Spitzeldienste zu leisten. Er wird mit dem Aufsammeln von jugendlichen Herumtreibern betraut, womit die Katastrophe schon beginnt. Denn die Strichjungen, die Haarmann "verhafet", nimmt er mit zu sich nach Hause, wo er sie mit einem Biß in die Schlagader tötet und das Blut aussaugt. Da es sich bei den meisten Opfern um Ausreisser handelt, wird ihr Verschwinden kaum registriert. Es wundert sich auch niemand, daß Haarmann in diesen Hungerjahren Deutschlands über einen guten Vorrat an Fleisch, Wurst und Schinken verfügt. Lediglich seine Nachbarin schöpft Verdacht, weil keiner der Jungs, die Haarmann empfängt, die Wohnung wieder verläßt. Nächtliche Klopf- und Hackgeräusche und ihre Beobachtung wie ihr Nachbar größere Pakete in den Kanal schmeißt, veranlassen sie ihr Schweigen zu brechen. Als die Polizei dann auch noch von der Militärbehörde einen Tadel erhält, weil ihr täglich neue Knochenfunde übergeben werden, wird endlich gehandelt. Mit Hilfe eine Strichers als "Lockvogel" kann die zuständige Kripo Haarmann endlich überführen und festnehmen.

Uli Lommel entwarf einen eigenwilligen, teilweise etwas langatmigen Gruselkrimi, der sich nur teilweise auf die Fakten stützt und diese mit den wilden Gerüchten um Haarmann vermischt.

"Der Totmacher" - Verfilmung Nr. 2

Ein völliges Gegenstück zu "Die Zärtlichkeit der Wölfe" stellt "Der Totmacher" dar. Der Film wurde 1995 von Romuald Karmakar mit Götz George als Fritz Haarmann und Jürgen Hentsch als Geheimrat Dr. Ernst Schultze gedreht. Die Protokolle der Gespräche zwischen jenem vom Gericht beauftragten Psychiater und Haarmann werden von Karmakar filmisch nachgestellt. In einem kahlen Verhörraum läßt Karmakar den "Werwolf von Hannover" seine Geschichte selbst erzählen. Da der gesamte Text nur aus den Protokollen entnommen ist, reduziert sich die Freiheit des Filmemachers auf Kameraführung und Lichteffekte.

Haarmanns Schriftbild

Wer war Haarmann?

Nun wissen wir zwar einiges über Fritz Haarmann, der zwischen 1918 und 1924 vierundzwanzig junge Männer und Jugendliche in Hannover durch einen Biß in die Halsschlagader tötete, und ihre Leichen portionsweise durch die Toilette zu spülen pflegte. Doch die Frage, die am Anfang stand, können wir aufrecht erhalten. Wer war dieser Fritz Haarmann? Wie krank war sein Gehirn wirklich?

Einer, der sich mit dieser Frage auseinander setzen mußte, war Professor Dr. Ernst Schultze (*1865, +1938), der damalige Leiter der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Göttingen. Dieser mußte mit Hilfe zahlloser Gespräche mit Haarmann zwischen dem 26. 7. und dem 25. 9. 1924 ein psychiatrisches Gutachten über diesen ausarbeiten. Dieses verfasste Dr. Schultze am 1. 10. 1924.

Doch bevor wir uns mit dem Bild, welches Ernst Schultze von Fritz Haarmann gewonnen hatte, befassen, sollte man sich noch einmal veranschaulichen wie Fritz Haarmann in den beiden im ersten Teil referierten Verfilmungen dargestellt wird. Man kommt zu dem Ergebnis: gegensätzlicher geht es nicht. Der von Kurt Raab gespielte Haarmann in Uh Lommels "Die Zärtlichkeit der Wölfe" (1973) wirkt auf den Zuschauer schlicht abstoßend. Mit einem verschlagenen Grinsen, kalt, schleimig und durchtrieben lockt er seine Buben in die tödliche Falle. Entsprechend erleichtert und befriedigt ist der Zuschauer als die Polizei ihm am Schluß des Films den Garaus macht.

Geradezu Mitleid erregend muß man hingegen den von Götz George unter der Regie von Romuald Karmakar in "Der Totmacher" (1995) dargestellten Haarmann empfinden. Man sieht einen Mann, der offensichtlich ein Kind geblieben, und seine Untaten offenbar gar nicht so recht begreift. Stellenweise mag sogar der ein oder andere trotz der 24 Bluttaten das Bedürfnis haben diesen ~beschränkten" Serienmörder in die Arme zu nehmen und zu trösten. Doch welches Bild ist zutreffender?

Die Welt ist voller Geheimnisse, die wohl niemals gelüftet werden. Haarmanns Seele und Charakter dÜrften wohl dazu gehören.

Professor Dr. Ernst Schultze will sich in nichts fest legen, lässt aber immer wieder in seinem Gutachten durch scheinen, daß er Fritz Haarmann fÜr einen Simulanten hält, der sich "dümmer" stellt als er wirklich ist. Er ist zwar nicht so Überzeugt, daß man bei Haarmann eventuelle Krankheitsbilder wie Epilepsie oder Hebephrenie ausschließen könne, erklärt ihn dennoch für zurechnungsfähig.

"Fasse ich meine bisherigen Ausführungen zusammen, so kann ich mich nicht davon überzeugen, daß er an einen Schwachsinn im klinischen Sinne leidet" (Schultze).

Dennoch kann Schultze nicht umhin, sich noch vier Seiten lang über das kindische Verhalten Haarmanns auszulassen. Auch hier verdächtigt Schultze ihn des Simulierens. Als Beweis dafür gibt er an, daß Fritz Haarmann erst nach dem er ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, zu "verkinden" begann.

Widerlegen kann man dies jedoch durchaus mit folgender Anekdote aus den Erinnerungen des zuständigen Kriminalinspektors Lange: Dieser ließ die skelettierten Schädel, welche man in der Leine gefunden hatte, in Haarmanns Zelle an der Decke an den Ecken fest montieren. Vorher hatte man die Augen- und Nasenlöcher mit rotem Cellophan verklebt und in den Schädeln drin Kerzen befestigt, welche vor dem Anbringen angezündet wurden.

So mußte der arme Fritz Haarmann mit jede Nacht in seiner Gefängniszelle mit rot leuchtenden Totenköpfen übernachten. Zweck der Übung: Die Kriminalinspektor Hermann Lange erzählte Haarmann, daß die Seelen der Toten zu den Gebeinen zurück kehren würden und ihn nicht eher ruhen lassen würden, bis er seine Bluttaten endlich zugäbe. Nach etwa zehn Tagen hatten sie ihn soweit. Aber ob diese Methode einen Verdächtigen zum Geständnis zu bringen auch bei einem "normalen" erwachsenen Menschen zum Erfolg geführt hätte erscheint äußerst fraglich.

Angesichts dieses relativ leichten Spiels, daß die Kriminalpolizei mit Fritz Haarmann hatte, erscheint die These von einer leichten (! ) geistigen Behinderung oder, sagen wir besser geistigen Unterentwicklung doch sehr vertretbar.

Zu den Taten selbst kann man auch heute nur Mutmaßungen anstellen. Dr. Ernst Schultze kann die Frage wie es zu den tödlichen Bissen kam auch nur so weit beantworten, als das er epileptische Anfälle und Alkoholismus als Ursache ausschließt.

Ich schlage daher vor, es bei folgender These zu belassen: Die erotisch reizvollsten Jungen verursachten bei Fritz Haarmann eine derartige sexuelle Erregung, die ihn beim Orgasmus in einen Trance-Zustand versetzte. Er verlor die Kontrolle über sein Handeln und es kam zum Biß. Haarmann sei danach, nach eigener Aussage, wie aus einer Hypnose erwacht und habe die Jungen tot in seinem Bett vorgefunden. Dies scheint sehr glaubhaft, da diese Methode der Tötung doch eine Spur zu "animalisch" als das man sie im Vollbesitz der geistigen Kräfte durchführen könnte. Man könnte sogar, jetzt über 70 Jahre nach Haarmanns Hinrichtung, ausdiskutieren, ob man hier noch von "Mord" oder nicht viel mehr von "Totschlag" reden muß.

Wie dem auch sei. Eine endgültige Erklärung des Phänomens Fritz Haarmann wird es wohl nicht geben, da auch alle, die ihn persönlich getroffen hatten, inzwischen längst tot sein dürften. Es werden sich weiter Mutmaßungen, Mythen und Legenden um den "Werwolf von Hannover" bilden, da Geheimnisse, die niemals gelüftet wie Rätsel, die niemals gelöst sein werden, uns ganz besonders faszinieren.

 

Wer sich weiter über Fritz Haarmann informieren möchte, dem sei das Rowohlt-Taschenbuch "Die Haarmann-Protokolle" (Rowohlt ISBN 3-499-60163-X), herausgegeben von Christine Pozsaär und Michael Farm, ans Herz gelegt.

 

 

 

 

 

zurueck
Home