mixed pixels - nam june paik
name june paik students. video dreams - ausstellung im kunstmuseum duesseldorf vom 5.4.-5.5.1996

Ulrich Krempel

"eine kleine düssel village video"

Die Klasse Paik an der Düsseldorfer Akademie existierte zwischen Phantasmagorie und Wirklichkeit als eine Ansammlung von merkwürdigen Individuen, Leuten, die in dunklen Räumen an altertümlichen Apparaten herumhantierten, jungen Künstlern, die auf der Spur eines neuen Mediums waren. Die Klasse Paik war eine eigenartige Organisationsform für die in ihr Arbeitenden schon deshalb, weil der Lehrer eigentlich nie wirklich vorhanden war, eher durchreisend und seine Lehrverfügungen delegierend, jemand, der - hätte es das Wort damals schon so heftig gegeben wie heute - virtuell zwar ständig präsent, aber de facto nicht anwesend war. Paik hat wie kaum ein anderer Lehrer an der Düsseldorfer Akademie seine Studenten emanzipiert und zum Arbeiten gebracht, gerade indem er sich ihnen so nachhaltig verweigerte und niemals, wie andere, kokett mit dem Geniegedanken spielte, jener eigenartigen Verkörperung der Gewißheit von der eigenen Bedeutungslosigkeit. Paik hat zur Listigkeit aufgerufen und sie vorgelebt: Seine Strategien der Abwesenheit an der Akademie hat er absichtsvoll gesetzt und damit eine Gruppe von Schülern ins Leben gerufen, der er bei anderen Schritten konkreter künstlerischer Tätigkeit ebenso behilflich war wie sie ihm. Paik hat Düsseldorf zu einem internationalen Ort gemacht, hat der Akademie den niederrheinischen Mief ausgeblasen und ein Stück weit die Vorstellung eines international tätigen Künstlers für seine Studenten real werden lassen. Daß viele von diesen Schülern der frühen 80er Jahre etwa heute nicht mehr in Deutschland leben, international tätig sind, ja als Lehrende auch an bedeutsamen Schulen arbeiten, spricht für den Erfolg eines solchen Konzeptes.

Paik begriff früher als andere Künstler in traditionellen Medien, daß jede Akademie auch etwas von einer Geniekaserne hat und daß an ihr eben nicht nur Leute fit für das Leben gemacht, sondern daß hier auch Künstler verbogen werden zur eifrigen Anpassung an das Bestehende. Insofern hat Paik vermieden, Vorbild zu sein, und hat eher Experimentelles provoziert und zugelassen. Punkte unserer Zusammenarbeit – der Leute in den vermittelnden Instituten mit Paik und seinen Studierenden – war nach einer Inauguralveranstaltung im Jahre 1980, der Installation "Laser Video" in der Kunsthalle Düsseldorf, eine Folge von Veranstaltungen. Dabei waren die jungen Mitarbeiter von Paik - wie Ingo Günther, Peter Kolb u.a. - von unmittelbarer Bedeutung für das konkrete Tun. Veranstaltungen wie "eine kleine düssel village video", veranstaltet aufgrund der internationalen CIMAM-Konferenz im Jahre 1981, waren eine Handreichung an ein internationales Museumspublikum auf höchstem Niveau. Wer hier in Düsseldorf präsent war in der Ausstellung (vgl. dazu Seite 80 im Katalog), war international schon wahrgenommen, wurde als Name und überraschende Position mittels Tapes und kleiner Installationen gehandelt. Die Kunsthalle Düsseldorf, wo ich damals meine erste Aktion mit Paik organisierte und danach mehrfach mit seiner Klasse, auch gemeinsam mit meinem Kollegen Klaus Schrenk, arbeiten durfte, hat in dieser Zusammenarbeit ganz ohne Zweifel den Charakter eines Laboratoriums übernommen. Uns nur aus den Medien bekannte Künstler, wie Al Robins, kamen im Zusammenhang mit dieser Arbeit nach Düsseldorf und arbeiteten hier vor Ort, bauten spinnwebenartige Großinstallationen in den Graphikraum der Kunsthalle und waren hier tätig. Die Künstler aus der Videoszene schauten vorbei: Paik, Shigeko Kubota u.a. Eine Art von freiem Umgang miteinander beim Nachdenken über Kooperationen und Koproduktionen entstand. Ursula Wevers, lange Zeit auch die Statthalterin für die Ideen Paiks in Düsseldorf, spielte hierbei eine ganz wesentliche Rolle.

Wir Museumsleute lernten damals zwei Gegensätze lieben: das Umgehen mit den Apparaturen und das Vertrauen in die kreativen Fähigkeiten der Künstler. Gute Zusammenarbeiten banden sich da zusammen, die für viele Jahre funktionieren sollten. Für die Szene in Düsseldorf war das Umgehen mit den Apparaturen und einer ganz anderen Idee der Distribution von Kunst etwas ungeheuer Befreiendes: Wurde hier doch das sichtbar an den Möglichkeiten der jüngeren Künstler, die die Technologien zwar nutzten, von ihnen aber nicht zu Sklaven gemacht wurden und vor ihnen keine Angst haben mußten. Eine perfekte Ergänzung für das, was zur gleichen Zeit Beuys in seinem Rekurs auf atavistische Rituale an Möglichkeiten im Gebrauch künstlerischer Medien aufzeigte: Die Arbeit der Klasse Paik in Düsseldorf wurde für uns so ein kontinuierlicher Prozeß der Auseinandersetzung mit einem sich ständig verändernden Medium. Der Kampf um die Teilhabe an diesem mußte immer wieder organisiert werden; so fanden wir uns auf großen Werbemessen mit riesigen Videoanlagen ebenso wieder wie in kleinen Studios, in denen unter unsäglich mühseligen Bedingungen geschnitten und produziert wurde.

In meiner Zeit im Folkwang-Museum Essen hat die Düsseldorf Connection noch eine ganze Zeitlang gut funktioniert: Das Folkwang-Videostudio wurde auch zum Produktionsort für viele Düsseldorfer Videokünstler, und im Folkwang-Videoprogramm gab es, wechselnd wie im Kino, Präsentationen der neuesten Videotapes auch der jungen Düsseldorfer Szene. So ging die Arbeit mit vielen Leuten nahtlos weiter: Paik hatte in seiner Klasse ein Experimentallaboratorium errichtet, und die Arbeit hatte sich bald aus dem engen Bereich der Hochschule heraus verlagert. Wie schade, wenn es heute, in den Zeiten eines verschulten Studiums an der Geniekaserne, so nicht weitergehen sollte.